GROSSE KOALITION, JA ODER NEIN? ROT-ROT-GRÜN, JA ODER NEIN?

Sondierungsgespräche nach SPD-Parteikonvent und mehr?

Die Sozialdemokraten haben anlässlich ihres Parteikonvents am 27. September beschlossen, am heutigen Freitag, dem 4. Oktober 2013, auf Wunsch der CDU Gespräche mit dieser zu führen. Im Vorfeld der sogenannten Sondierungen warnen SPD-Parteimitglieder davor, dass sich das Debakel „Große Koalition“ von 2005 bis 2009 wiederholen könnte. Stellvertretend veröffentlichen wir hier Gedanken und Schriftverkehr zur Stimmung an der SPD-Basis, in denen die Befürchtungen deutlich werden.

So hat die Genossin Gabriela Linden aus Temmels/Mosel dem Parteivorstand ihre eigenen und die im sozialdemokratischen Umfeld gewonnenen Erkenntnisse mit dem Parteivorstand in Berlin ausgetauscht. Scheinbar teilt man dort die Besorgnisse, wie dies vordergründig in der Antwort von Kai Ihlefeld* erkennbar ist.

Am 01.10.2013 13:20, schrieb Parteivorstand der SPD:

Liebe Gabriela,
vielen Dank für Deine E-Mail, die uns am 26.09.2013 erreicht hat.
Du warnst vor einer Großen Koalition. Und du hast völlig Recht: Mit der Union wird es mutmaßlich keinen Mindestlohn, keine Bürgerversicherung, nicht mehr Geld für Bildung und Infrastruktur und keine gleiche Bezahlung von Frauen und Männern geben, also viele der Gründe, für die wir als SPD angetreten sind, und wegen denen wir für die Ablösung von Angela Merkel durch Peer Steinbrück gekämpft haben.
Die SPD ist aber mit einem klaren Programm für einen Politikwechsel in Deutschland in den Wahlkampf gegangen. Für eine rot-grüne Mehrheit hat es nicht gereicht, aber unser Programm bleibt die Richtschnur für unser weiteres Vorgehen.
Der SPD-Parteikonvent, in dem viele ehrenamtliche Mitglieder der SPD als Delegierte aktiv sind, hat am vergangenen Freitag den Beschluss gefasst, dass wir für unsere Ziele kämpfen wollen. Für alles, was uns wichtig ist: gute Arbeit und gute Renten, eine gerechte Steuerpolitik, Investitionen in Bildung, starke Kommunen, gelingende Integration, eine moderne Familien- und Gleichstellungspolitik – und vieles mehr. Grundlage ist für uns das SPD-Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2013. Du findest den Beschluss im Wortlaut auch hier:
http://www.spd.de/aktuelles/110370/20130927_parteikonvent_ergebnis.html

Klar ist: Wir streben eine Koalition mit CDU und CSU nicht an. Wenn die Union jetzt aber am kommenden Freitag mit uns sprechen will, werden wir sondieren, was mit ihnen umsetzbar ist, und ergebnisoffen diskutieren. Sollte sich abzeichnen, dass dabei eine Durchsetzung unserer Ziele möglich erscheint, wird ein weiterer SPD-Parteikonvent in Kürze darüber beraten, ob Koalitionsverhandlungen sinnvoll sind. Und falls nach den Verhandlungen ein tragfähiger Entwurf für einen Koalitionsvertrag steht, sollen alle 470.000 Mitglieder entscheiden. Die Mitglieder haben also das letzte Wort über die Bildung einer Koalition mit der Union. Diese intensive Einbindung der Mitglieder bietet dem Parteivorstand die breitestmögliche Legitimation.

Mit freundlichen Grüßen aus dem Willy-Brandt-Haus

Kai Ihlefeld*
SPD-Parteivorstand
Direktkommunikation

Die im Schreiben des Parteivorstandes angesprochenen Themen dienen als exemplarische Beispiele für die vielen wichtigen Punkte, welche noch in unserem Wahlprogramm zu finden sind und umgesetzt gehören.

Die Antwort von Gabriela Linden musste dann dennoch so ausfallen, dass sich die Genossinnen und Genossen an der Parteibasis weitgehend damit identifizieren können.

Lieber Kai Ihlefeld*, 
vielen Dank erst einmal für die Antwort.
Wie du schreibst, wird es mit der Union keinen Mindestlohn, keine Bürgerversicherung, nicht mehr Geld für Bildung und Infrastruktur und keine gleiche Bezahlung von Frauen und Männern geben, also viele der Gründe, für die wir als SPD angetreten sind, und wegen denen wir für die Ablösung von Angela Merkel durch Peer Steinbrück gekämpft haben, geben.
Und trotzdem wird es, wie es in einer Demokratie üblich ist, Gespräche und Verhandlungen mit der Union geben. Das ist gut so. Warum aber nicht auch mit der LINKEN? Miteinander sprechen heißt noch nicht miteinander koalieren. Wenn die SPD, nach Gesprächen und Verhandlungen, gute Gründe hätte, sich gegen eine Rot-Rot-Grüne Koalition  auszusprechen – in Ordnung. Aber ein Ausschluss von vorne herein in einer parlamentarischen Demokratie?
Weder im Beschluss des SPD-Parteikonvents vom 27.09.2013 noch in deiner Antwort-
E-Mail wird auf dieses Thema eingegangen. Das halte ich nicht nur für grundlegend falsch, es ist undemokratisch und unverständlich. Unverständlich auch deshalb, weil  es, wie in der Frankfurter Rundschau zum Thema Bundestagswahl 2013 (siehe Link am Ende dieses Briefes) nachzulesen, „dass die drei Parteien (Rot-Rot-Grün) eine wahrscheinlich bei über 90 Prozent liegende Übereinstimmung ihrer Wahlprogramme haben.“
Die Tatsache, dass die komplette Parteiführung eine Rot-Rot-Grüne Koalition vor der Wahl ausgeschlossen hat, heißt weder, dass ein Mitgliederentscheid zu diesem Thema das gleiche Resultat erbringen würde, noch heißt das, dass Rot-Rot-Grün nicht möglich wäre.
Rot-Rot-Grün „anzudenken“, dazu gehört zweifelsohne Mut. Die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hat Mut bewiesen. Es geht also. Und falls hier mit dem Argument Wortbruch argumentiert würde, fiele mir zu diesem Thema ein, einmal zu überlegen, welche Versprechen der SPD in einer Großen Koalition gebrochen werden müssten.
Fakt ist, Rot-Rot-Grün hat eine Mehrheit, eine knappe, aber eine Mehrheit. Dies bedeutet eine historische Chance für die SPD entweder mit Rot-Rot-Grün zu überzeugen, oder, falls das nach Sondierungsgesprächen als nicht realisierbar erscheint, in der Opposition eine klare Linie zu fahren. Im konstruktiven Streit Position zu beziehen und die Weichen mit dem Bundesrat zusammen für die Zukunft zu stellen, die Chance, eine klare Haltung für eine sozialdemokratische Politik einzunehmen, harte politische Auseinandersetzungen zu führen, mit sachlichen Argumenten, ist überfällig und wird geradezu von der Basis herbeigesehnt.
Was glaubt die Parteiführung, wie wir hier Wahlkampf betrieben haben?
Das bisherige „Stillhalten“ der Genossinnen und Genossen während der Gespräche und Verhandlungen der SPD-Parteiführung mit CDU/CSU sollte nicht verwechselt werden mit einem automatischen Einverständnis zu einer großen Koalition.
Es ist schwierig für die Parteiführung, keine Frage.
An Schwierigkeiten kann man wachsen. Die Genossinnen und Genossen sind gewachsen seit der letzten Wahl. In der Hoffnung, dass die Parteiführung dies ebenfalls getan hat, verbleibe ich,

mit freundlichen Grüßen
Gabriela Linden

http://www.fr-online.de/bundestagswahl—hintergrund,23998104,24396008.html

* Kai Ihlefeld ist Mitarbeiter beim SPD-Parteivorstand im Referat Direktkommunikation

 

 

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4 Kommentare zu GROSSE KOALITION, JA ODER NEIN? ROT-ROT-GRÜN, JA ODER NEIN?

  1. Sienchie Rodrigue Alain sagt:

    Ich bin Rot-rot-grün in der Bundesregierung.

    Rot-rot-grün ist gewählt.

    • parteilos sagt:

      natürlich schwarz-grün

      …weil damit endlich die Preistreiber im Energiesegment von der Regierungsbildfläche verschwinden… genauso wie die FDP
      Die SPD hat die einmalige Chance Charakter zu zeigen. Nach der letzten großen Koalition mit der Merkel an der Spitze hatte die SPD bei den Wahlen nur noch um die 25%.
      Die Basis sollte den Machthungrigen, verängstigt ihren Job zu verlierenden Spitzenpolitikern mal die Schulter zeigen.
      Die Parteichefs streben an die Macht, koste es, was wolle. Hauptsache einen fetten Ministerposten, alles nur aus eigenem Interesse.
      Es gibt ja auch kein wirkliches Interesse der Spitzenpolitiker, endlich diese Hungerlöhne abzuschaffen. Keiner von denen muß mit 5€ brutto in der Stunde auskommen. Selbst mit 8.50€ in der Stunde kann ein Alleinverdiener nicht ohne Staatshilfe überleben.
      Die Politiker interessiert das nicht.
      Ich halte es im Übrigen für verfassungswidrig das diese Bonzen auch noch Nebentätigkeiten haben dürfen.
      Gibt es doch auf jeder Gemeinderatssitzung Mitwirkungsverbote bei Abgeordneten. Für den Bundestag scheint das nicht zu gelten.
      Das beste Beispiel lieferte unser ehemaliger Kanzler Schrödter selbst, er kündigte seine Kanzlerschaft, wegen eines besser bezahlten Jobs bei Gasprom.
      Für diese Firma hatte er vorher die Gaspipeline durch die Ostsee durchgedrückt. Ein Schelm wer dabei böses denkt.
      Was dabei herauskommt, siehe letzte große Koalition.
      Also von mir ein Appell an die Parteibasis der SPD sich auf ihre Ursprungswerte zurück zu besinnen.

  2. Ja, Jaaa-Opposition ist Mist. Mit diesem vielzitierten Ausruf von Münte wird dem Parteivolk immer wieder suggeriert, dass es besser (für wen eigentlich) sei, Kompromisse einzugehen, als auf den harten Oppositionsbänken Platz zu nehmen.
    Wenn ich schon die Aussage von Manuela Schwesig lese, bei den Sondierungsgesprächen wäre man sich in den Kernpunkten einig. Aber ins Eingemachte gehe man dann im nächsten Gespräch am 14. Oktober. Also einen Nachmittag in Berlin Nettigkeiten ausgetauscht?
    Und was heißt denn, die SPD-Mitglieder werden in einer Umfrage beteiligt? Werden alle 470.000 Mitglieder einzeln angeschrieben oder wird wie schon ein Mal das Organ Ortsverein angeschrieben und gefragt?
    Und dann, wie werden die Fragen denn gestellt? „Wollt ihr die Einführung der PKW-Maut zugunsten neuer Straßenprojekte bzw. der wichtigen Sanierung i.H. von etwa 7 Mrd. €“? Oder “ Das Betreuungsgeld bleibt, dafür wird mehr in Bildung und Kitaplätze investiert“? Ist doch verlockend ja zusagen – nicht wahr?
    Besser es wird der Sachstand der Sondierungsgespräche dargestellt und dann die Frage gestellt, wollt ihr unter diesen Bedingungen (als Kompromisse dargestellt), eine Regierungsbeteiligung Ja oder Nein. Aber die Eierei und die staatstragenden Kommentare der Parteihierarchie lassen darauf schließen, dass die SPD sich der demokratischen Verantwortung nicht entziehen wird und darum eine Regierungsbeteiligung geradezu als Verpflichtung am Deutschen Volk sieht. Es wird die Parteibasis auch diesmal wieder spalten wie schon ein Mal und die vielen ehrenamtlich tätigen KommunalpolitikerInnen, die schon mal auf das Niveau der sechziger Jahre reduziert wurden, haben die Suppe wieder auszulöffeln. Kein Wunder, dass die Partei wie viele anderen auch, kaum mehr Personen findet, die kommunalpolitische Verantwortung tragen wollen. Deshalb ist es besser auf den harten Oppositionsbänken Platz zu nehmen und eine starke, sozial gerechte, glaubwürdige und sozialdemokratische Linie zu verfolgen um dann bei den nächsten Wahlen die vielen Millionen abtrünnigen WählerInnen für die SPD zurück zu gewinnen.

    • Helmut Ayl sagt:

      Ich stimme Gabi Linden und Alfons Maximini zu, sie sprechen mir beide aus dem Herzen.
      Warum, wenn auch Schwarz-Grün sich nicht einigen, und Rot-Rot-Grün nach ernsthaften Verhandlungen (!) nicht ginge, keine CDU-CSU – Minderheitsregierung? Ob die dann an ihren eigenen Gegensätzen scheitern würden, wäre deren Problem. Aber das wäre, wie in anderen europäischen Demokratien auch, eine große Chance: der Bundestag als 2. und wichtigste Gewalt im Staat würde wieder das Gewicht bekommen, das ihm nach der Verfassung zusteht! Eine große Koalition mit Riesenregierungsmehrheit hätte die faktische Ausschaltung des Bundestages und des Bundesrates zur Folge. Wer kann das ernsthaft wollen? Eine wortmächtige APO aus FDP, AfD, Piraten…wäre doch die weitere unausweichliche Folge.
      Am Ende sei Urban Priol zitiert: „Die SPD verwechselt ihre eigene Dummheit mit staatstragender Verantwortung“; dies war sein Fazit der letzten großen Koalition. Soweit darf es nicht mehr kommen.

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